Meine Zeit auf Wangerooge

Wangerooge ist die östlichste der sieben bewohnten Ostfriesischen Inseln im niedersächsischen Wattenmeer.

Vom Festland kommt man mit der Fähre oder dem Flugzeug auf diesen hübschen Fleck Erde.

Das erste Mal auf Wangerooge

Schon als Kind sind meine Eltern mit mir auf diese schöne Insel in den Urlaub gefahren. Beim Spielen im Sand habe ich sogar Urlaubsfreunde gefunden. Das war für mich schon etwas Besonderes, da ich früher sehr schüchtern war.

In solchen Sandhaufen bin ich als Kind hin- und hergesprungen.

Das Meer hat uns (meine Mutter und auch mich) immer schon magisch angezogen. Mit dem ersten Möwenschrei kam das Urlaubsgefühl und die Leichtigkeit.

  • Mama und ich am Strand im Urlaub

Andi und die Insel

Unseren ersten Urlaub als Paar haben wir hier auf Wangerooge gemacht. Es war März, es war stürmisch, es war verregnet, es war wunderschön. Wir standen am Meer und haben den Wellen bei Sturm zugesehen, wie sie sich ihren Weg bahnen.

Es war kurz vor der Coronazeit. An unserem Abreisetag waren die Angestellten der Bahn bereits in Ganzkörperschutzanzüge gekleidet und trugen Masken. Zwei Tage später wurde Wooge abgeriegelt und alle Touristen mussten die Insel verlassen.

Wir hatten schon immer ein gutes Timing… 😀

Mit meinem Umzug nach Wooge wurde auch Andi noch vertrauter mit der Insel. Für ihn ist es ein schöner Ort um Urlaub zu machen, aber kein Ort zum Wohnen und Leben – vor Allem nicht in die Zukunft gedacht.

Für mich war daher klar: irgendwann heißt es statt Inselandi leider „Insel oder Andi“ und die Entscheidung ist mir wiederum nicht schwer gefallen.

Doch erst mal zurück zum Anfang…

Wie alles begann

Ich bin Dachdeckermeisterin.

Im Handwerk habe ich mich das erste Mal in einem Job wiedergefunden, der mir richtig Spaß gemacht und gleichzeitig die Möglichkeit geboten hat, aufzusteigen. Am Ende des Tages zu sehen, was man gemacht hat ist etwas Wunderbares, das man auch nach vielen Jahrzehnten noch sehen kann. Wenn ich durch meine Heimat fahre, gucke ich immer nach rechts und links und denke (oder sage) „das habe ich gemacht“ und „das habe ich gemacht“… richtig gut!

Ausbildung

Als ich die Ausbildung zur Dachdeckerin begann, war mir sehr schnell klar, wie schön aber auch wie körperlich anstrengend diese Arbeit ist. Daher wollte ich sicherstellen, dass ich, sobald ich die Arbeit körperlich nicht mehr ausüben möchte (oder kann), abgesichert bin. Und so habe ich mich entschieden direkt nach der Ausbildung die Weiterbildung zur Dachdeckermeisterin zu machen.

Meisterschule

Die Meisterschule war sehr anstrengend. Ich habe viel gelernt – nicht nur Theorie sondern auch Praxis. Das ging so weit, dass ich mir im Garten meiner Eltern ein kleines Dachmodell baute um dort für die praktische Prüfung zu üben. Es muss für Außenstehende sehr ulkig ausgesehen haben, wie ich da, im Garten, vor einem viertel Dach hocke und eine Schieferkehleneinteilung übe.

Zur Motivation habe ich mir in dieser Zeit Pläne für die Zukunft gemacht. Das hat mir schon früher während des Abiturstresses geholfen einen halbwegs klaren Kopf zu behalten. Ich wollte Reisen, nach Norwegen fahren und mit Andi zusammenziehen, wollte Kochkurse machen und noch mehr Reisen, die Welt sehen, fremde Kulturen kennenlernen. Allgemein hat mir das Pläneschmieden doch sehr schnell gezeigt, was ich mir von der Zukunft wünsche: Reisen, Rauskommen.

Als ich die Prüfungen dann geschafft hatte und ein paar Wochen später meinen Dachdeckermeisterbrief in den Händen hielt, fiel auch das letzte bisschen Stress von mir ab.

Kurz konnte ich durchatmen, doch dann war es an der Zeit für realistische Pläne: Andi und ich wollten zusammenziehen. Er studierte noch in Braunschweig aber dort wollte ich nicht hin. Für ihn wäre es nicht sinnvoll gewesen von Braunschweig wegzuziehen. Und so haben wir entschieden unsere Fernbeziehung noch etwas aufrecht zu erhalten. Also habe ich angefangen mir für grob ein Jahr einen coolen Job zu suchen. Ich dachte an ein Auslandsjahr in Frankreich oder etwas Ähnliches. Leider habe ich mich darum zu spät gekümmert. Doch ich hatte Glück. Meinen ersten Job als Dachdeckermeisterin konnte ich bei einem Freund beginnen. Ich war dort für 3 Monate eingestellt und es war eine tolle Zeit. Die Verantwortung den Azubis gegenüber und der Kontakt zu den Kunden hat mir sehr gefallen so auch die Firma, die Landschaft und die Leute . Es freut mich außerdem, zu wissen, dass ich dort immer wieder arbeiten könnte.

Für danach begann recht bald eine neue Suche: wo will ich hin? Und was es mir erschwerte: Andi konnte nicht richtig einschätzen, wie lange er noch bis zum Ende des Studiums braucht (zwei Studiengänge parallel) und so konnte ich nicht richtig planen. Daher entschied ich, einfach zu gucken, was kommt und  mich nicht festzulegen auf ein paar Monate oder ein Jahr. Wer weiß was kommt – richtig?

Es war Sonntagmorgen und ich dachte an meinen Lieblingssandhaufen. Warum nicht dort arbeiten, wo andere Urlaub machen? Gibt es einen Dachdecker auf Wangerooge? Nach einer kurzen Recherche schrieb ich eine Initiativbewerbung per Mail und von da an ging es sehr schnell. Nach einer Woche hatte ich den Arbeitsvertrag unterschrieben, zwei weitere Wochen später bin ich in meine Wohnung auf der Insel eingezogen.

Der Umzug war anstrengend: vor allem die Planung. Immerhin musste ich mir innerhalb von zwei Wochen eine Küche und sämtliche Möbel organisieren. Und das alles musste auf eine autofreie Insel…

Doch mit etwas Geduld und viel Hirnschmalz und dank super netten Menschen hier und dort hat dann alles funktioniert.

Meine Zeit auf Wangerooge

Der Anfang…

Als ich fertig eingezogen war und mich allmählich an die Arbeit gewöhnt hatte, war keine Hauptsaison mehr und die Insel wurde immer leerer und leerer. Es gab weniger Veranstaltungen, Restaurants schlossen und mir bekannte Inselmenschen gingen in ihren Jahresurlaub. Ich kannte abgesehen von einer Handvoll Bauarbeitern keinen. Meine Arbeitskollegen kamen jeweils Montags früh auf die Insel geflogen und flogen ebenso Freitags Mittags wieder ans Festland. Ich war am Wochenende also immer allein. Für mich war diese Zeit sehr schwer. Ich habe mich nicht wirklich wohl gefühlt.

Es wurde Winter, die Tage wurden kürzer und ich hatte keine Freunde weit und breit. Der sogenannte Inselkoller kam. Man kommt so schnell nicht weg von diesem eigentlich so schönen Sandhaufen…

Stumpfis

Unter der Woche sah es anders aus: die Arbeit rief!

Bei meiner Firma „Dachdeckerei Gebrüder Stumpf GmbH“ (oder wie ich sie gern nenne „Stumpfis“) habe ich mich direkt wohl gefühlt. Als Frau im Handwerk habe ich schon einiges an Erfahrung der eher unschönen Art sammeln „dürfen“. Doch auf der Insel: nix dergleichen. Die Chefs sowie die Kollegen waren wirklich super! So macht arbeiten Spaß!

Diese schöne Zeit will ich wirklich nicht missen. Ich kannte aus dem Harz schon das Gefühl ganz oben zu sein, den besten Ausblick zu haben. Doch der Ausblick auf einer Insel bzw. über eine Insel ist doch noch mal etwas anderes. Von vielen Dächern aus kann man zu allen Himmelsrichtungen das Meer sehen. Einfach atemberaubend.

Auch die Insulaner*innen haben mich schnell wiedererkannt – vermutlich war ich auch deswegen so schnell auf Wooge angekommen. Wer meinen Chef mal nicht erreichen konnte, und es dringend war, der hat einfach mich angerufen. Und sogar Artikel wurden über mich geschrieben – ein ungewohntes aber durchaus wohliges Gefühl, wenn man so viel Anerkennung bekommt.

Falls ihr das lest, MM und HH, vielen Dank für diesen super Artikel und die schöne Zeit, die wir auf Wangerooge hatten!

Die Limestompers

Durch meine Nachbarin kam ich recht schnell nach meinem Einzug zum Linedance. Aus einem Abend Training wurden schnell zwei und kaum ein paar Wochen später habe ich das Anfängertraining schon in Vertretung geleitet. Das Tanzen war der Start meiner ersten richtig engen Freundschaft auf Wangerooge, denn hier lernte ich Ihna, unsere Vortänzerin, kennen.

Vielleicht ist Freundschaft das falsche Wort; „Familie“ trifft es doch etwas besser. Ihna hat mich als Adoptivkind und ich sie als meine adoptierte Inselmutti bezeichnet – naja, oft ist der Begriff nicht gefallen aber er beschreibt ganz gut in welchem Verhältnis wir standen. Ihna hat mich also unter ihre Fittiche genommen und mich ziemlich schnell in die Trommelgruppe der Insel eingeschleust – die WangooDiptams (Dippies).

Meine Dippies

Die WangooDiptams (wir nennen uns gern einfach nur „Dippies“) sind eine Trommelgruppe mit Frauen von der Insel. Und diese Gruppe hat es in sich. Mit Worten kann man die Dippies, diese Herzensmenschen wohl gar nicht beschreiben. Sie sind brutal ehrlich zueinander und gleichzeitig liebevoll und fürsorglich. Außerdem ist jede auf ihre Weise komplett bekloppt! Und ich möchte betonen, dass ich die beste und schönste Art der „Beklopptheit“ meine! Diese Gruppe hat mich aufgenommen. Ich habe mich von Anfang an wohlgefühlt und konnte mich fallen lassen. Im Nachhinein kann ich sagen, dass der Abschied von dieser Gruppe mir am schwersten gefallen ist/ fällt. Falls ihr das hier lest, meine Lieben: ich danke euch! Ohne euch hätte ich den Winter auf der Insel vermutlich nicht überstanden. Ich hab euch alle lieb! <3 (Kurz die Tränen wegwischen… und weiter)

  • WangooDiptams beim Auftritt
  • Die WangooDiptams kurz vor der Verbeugung

Nach und nach habe ich also meine Leute auf der Insel kennengelernt und echte, enge Freundschaften finden dürfen. Und ab da ist die Zeit verflogen! Es kommt mir nicht vor, als wäre ich zwei Jahre dort gewesen. Ein Event wurde vom nächsten gejagt. Hier feiert jemand Geburtstag, dann spielt der Fußballverein, am nächsten Tag wird angegrillt,… es gab eigentlich immer etwas zu tun oder zu feiern und nicht selten wurde ein Fußballspiel dann eine Tagesveranstaltung mit Musik und Tanz, einer Menge Bier und vor allem einer Menge Spaß.

Teure Arztbesuche

Abschließend kann ich sagen: wenn man angekommen ist auf so einem wundersamen Fleckchen Sand, dann ist es ein Segen. Man ist nicht fremd (auch nach einem Jahr schon nicht mehr) und man hilft sich gegenseitig (selbst wenn man sich vielleicht gar nicht so sehr leiden mag).

Schwierig ist es nur, wenn man ans Festland muss. Ja, muss. Im Speziellen meine ich Arzttermine.

Mit der Fähre ist man in grob 2 Stunden am Festland, in Harle. Die Fähren fahren abhängig von der Tiede. Also muss man für jeden Tag separat gucken. Von Harlesiel aus muss man dann noch ein wenig Strecke zurücklegen bevor man in Jever, Oldenburg oder Wilhelmshaven ist. (Nur zur Info: ich hatte kein Auto).

Mit dem Flieger fliegt man nur 5 Minuten, bezahlt diesen Luxus aber auch. Und die Flieger fliegen nur bei Sicht: sobald es dunkel wird: kein Flieger, solange es noch dunkel ist: kein Flieger, bei Nebel: kein Flieger… Es mag Wochen geben, wo das Wetter super ist und man sich darauf verlassen kann, dass die Flieger so fliegen, wie man sie bucht, aber es ist eben nicht immer so. Montags um 8 Uhr morgens kann ich also sehr schlecht einen Arzttermin wahrnehmen. Ebenso schlecht kamen für mich Zeiten ab 16 Uhr in Frage…

Allgemein war es immer sehr schwer, sich die Termine so zu planen, dass man morgens rechtzeitig dort war und trotzdem wieder Abends auf die Insel kam. Nicht nur ein Mal habe ich zwei Tage am Festland verbracht nur um einen wichtigen Facharzttermin wahrzunehmen.

Du siehst: es war eine Menge Planung.

Mein Wegzug

Unsere Weltreise steht kurz bevor und für mich heißt es Abschied nehmen von meinem liebenswerten Sandhaufen.

Ich habe neue Hobbys lieben gelernt, die leisen sowie die lauten Momente der Insel genossen. Ich habe Freundschaften geschlossen.

Es fällt mir nicht leicht.

Hier geht’s zum kleinen Zwischenstands – Beitrag mit mehr Einblicken zum Umzug.

Ich vermisse euch alle jetzt schon und ich freue mich auf viele weitere schöne Momente mit euch auf diesem wundersamen Sandhaufen <3, denn ich komme wieder und besuche euch.

Vielleicht interessiert Dich auch:

Hi, hier kannst du kommentieren. Hast Du Fragen oder Anmerkungen?